Samstag, 10. Dezember 2011

Dostojewskijs "Der Spieler" in der Volksbühne - Fernsehen mit Castorf

Unglaublich - Raimund geht in's Theater - das ist ja noch seltener als einen Sack Goldmünzen unter'm eigenen Bett zu finden... Es war irgendwie auch nicht meine Schuld - sondern die des Nikolauses in Form meines WG-Mitbewohners Martin, der alle WG-Genossen ins nahe gelegene Scheinbar-Varieté einladen wollte. Das ist eine winzige Bühnenspielstätte in Kneipengröße und mit doppeltem Underground-, Off- & Geheimtipp- Bonus. Sowas mag ich ja eigentlich - obwohl das angekündigte Programm eigentlich nicht viel aussagte. Aber irgendwie hätte das eine WG Ausflug in ein kleines Etablissement um die Ecke werden können, ohne großen künstlerischen Anspruch - dafür im ungezwungenen Ambiente. Tja, ausverkauft... Irgendwann schickte Martin also die SMS, dass er stattdessen Karten für Frank Castorfs Inszenierung von Dostojewskijs "Der Spieler" in der Volksbühne reserviert hätte - und die Nachricht traf mich wie ein Nackenschlag mit einem Zweihänder. Seit Jahrzehnten verweigerte ich dieser Kunstform nun schon hartnäckig meine Aufwartung, obwohl z.B. meine Schwester Schauspielerin ist - und in Rollen spielt, für die sich der Rest meiner WG ein halbes Jahr im Voraus Karten reserviert. War das etwa ein perfider Plan, mir jedwede Argumente zu rauben, mich einem Besuch eines Stückes von meiner Schwester weiterhin zu entziehen? Oder stecken noch andere, viel missionarischere Absichten dahiner?

Jedenfalls kam der Samstag (und die gemeinsame Fahrt zur Volksbühne) in einem Tempo gleich einer polierten Bowlingkugel in einem Eiskanal. Vor Ort erinnerte ich mich an meinen letzten Besuch in dem Etablissement - noch mit meiner damals frisch angetrauten Ehefrau Antje, wo wir eine 8 Stunden-Inszenierung der Niebelungen gesehen hatten, die ich nur mit äußerster Mühe und viel verliebter Hingabe überstand. Und auch dieses Mal erwischte uns die temporale Keule mit voller Wucht: Das Stück begann um 19 Uhr - und endete ohne Vorwarnung erst kurz vor Mitternacht! Wir hatten alle mit einer 2,5-Stunden Inszenierung gerechnet - aber nein, natürlich ... Wenn schon - denn schon...

Scheer, Angerer& Rois in "Der Spieler"
Als nach gut 2h Pause war, war ich doch sehr angetan: Fast vollkommen losgelöst von der Vorlage des Originaltextes von Dostojewskij wurde hier ein sehr unterhaltsamer Rahmen aufgespannt - mit insbesondere zwei unglaublichen Sprecherrollen, die kilometerweise Text abspulten, dass ich mich frage, ob das wirklich alles von einem einzigen Menschen gelernt werden kann. Oder standen dort Klone auf der Bühne? Oder gab es an zwei Dutzend Stellen die Regieanweisung: 'Erzähl' halt irgendwas, pack möglichst viele Worte in die Minuten, rassel es runter wie ein Wasserfall - nur sieh zu, dass es irgendwie zur Stimmung passt...' Fast bin ich geneigt zu glauben, dass es wirklich nur jeweils eine weibliche und eine männliche Person waren, die in der enstprechenden Rolle steckten - und das finde ich sensationell. Namentlich: Kathrin Angerer und Alexander Scheer, den ich schon im Film "Sonnenallee" gesehen habe und der zurzeit auch noch als Percussionist mit "The Whitest Boy Alive" auftritt. Schauspielerisch sehr ansprechend fand ich auch Grimmepreisträgerin Sophie Rois.

Ansonsten war das Theaterstück zu großen Teilen wie Kino, weil der zentrale Raum des Stücks, das Casino, gar nicht vom Publikum einsehbar war, sondern nur durch den Einsatz einer Livekamera auf eine große Projektionsfläche übertragen wurde, die in der Kulisse eines Viertels der Drehbühe aufgestellt war. Das hat mir sehr gut gefallen, ebenso wie die zahlreichen Anspielungen an moderne Spieler, "Playboys" und Musiker wie Mick Jagger oder Brian Jones und weitere Aspekte der Popkultur. Die Handlung zerfaserte für mein Empfinden ziemlich, einige Bilder verstand ich dann auch nicht, so z.B. 'die Kartoffel, auch die "Preussische Orange" genannt' - oder das 'deutsche Krokodil'. Und am Ende war auch meine Aufmerksamkeitsspanne überdehnt. Trotzdem muss ich sagen, dass mir das Stück gut gefallen hat und meine strikte Ablehnung gegenüber dem Theater tatsächlich ins Wanken gekommen ist. Verdammt!

Im Anschluss an diesen Abend traf ich mich noch mit Heidi im "Gretchen" zum "Klub der Pioniere", eine Veranstaltungsreihe, die ja sonst im MIKZ stattfindet. Marc Miroir (Paso Music) hatte mir freundlicherweise Gästelistenplätze zu Verfügung gestellt. Bei der Gelegenheit fand ich heraus, dass es noch einen zweiten, kleineren Raum im Gretchen gibt - und, dass auch andere Veranstaltungen mit einem tollen Lineup Anfang Dezember unter Besucherschwäche leiden. Ich muss sagen, da haben wir mit unserer Dienstagswelt - trotz der touristenarmen Schwächephase - noch deutlich mehr Gäste auf unseren Parties, als in dieser Nacht im Gretchen weilten... Und auch nettere! Es war trotzdem ein schöner Abschluss mit ein paar Vodka-Mate und Musik von Turmspringer, Pornbugs, Marc Miroir und anderen. Ins Stattbad Wedding wollte ich anschließend aber nicht mehr mitgehen - irgendwann ist auch mal gut.

Freitag, 2. Dezember 2011

Spiel mir das Lied Deines Lebens :: Premiere im Salon Wilde Renate

Oh je... Das war schon wieder eine Überdosis RAW. Dennoch: Daran habe ich ja länger gearbeitet, dass die Jungs mit ihrer Schow rund um das besondere Lied mit der besonderen Geschichte in der Renate heimisch werden können. Leider konnte ich selbst nicht anwesend sein, weil ich im KlickClub (ex PHB-Club) Künstlerbetreuung machen musste. Gab gut Geld - und das konnte ich nicht sausen lassen. Aber irgendwie war ich auch froh, dem RAW Dejavu entkommen zu können. Fazit: 4 zahlende Gäste, alles Geld versoffen.