Wie schon die Jahre zuvor bin ich mit meiner Freundin Ulrike und ihren Kids nach Lärz auf's Flugfeld gedüst, um auch dieses Jahr dem Ferienkommunismus zu huldigen, vegetarisch zu essen und viel gute Musik zu hören. Diesmal gab's das große Ticketthema- da alle Fusion Tickets innerhalb von weniger als zwei Tagen ausverkauft waren - und zwar unmittelbar nach dem Start des VVK - und natülich schon im November (oder so) 2010. Demzufolge kamen eigentlich ausschließlich Leutchen, die mehr als ein halbes Jahr Zeit hatten, ihren Fusion-Trip zu planen. Also waren alle schon am Donnerstag da - Leute, die am Freitag kamen - oder gar Tagesbesucher - gab es kaum.
Es ging schon damit los, dass wir am Einlass locker eine Stunde im Stau standen - ein Feeling wie früher, wenn man Freitag am späten Nachmittag kam. Und das, obwohl schon alle ihre Karten hatten! Dann war es schon gar nicht mehr so leicht, vernünftige Zeltplätze zu finden. Autofrei versteht sich. Aber das ging dann doch. Pünktlich, als wir in Lärz ankamen, hatte es aufgehört zu regnen, ich nahm das als gutes Omen.
Die Donnerstagsnacht war dann auch trocken - und knallvoll, weil ja schon gefühlte 110% aller Besucher auf dem Platz waren, nüchtern, ausgeschlafen und in Feierlaune. Ulrike wollte erst Freitag nachkommen - und so lief ich dann mal alleine los - und fand in der ersten Nacht wenig bekannte Gesichter. Naja, ein paar Hallos gab's dann doch Alldub, Saetchmo und Azmir von Balkantronika z.B., die an dem Abend ihre Auftritte hatten. Dreher & Rhauder im Schuhkarton war mir zu heftig und auch Tanith oder David Pasternak habe ich nicht gesehen. YounANDme auf der Tanzwiese war mein Highlight der Nacht - aber auch die Roots Station hat mich richtig warm gespielt!
Der Freitag war schön, im Zelt wurde es schnell zu warm, draußen wechselten sich Sonne und Wolken ab, perfektes Festivalwetter! Scribble Gebibble am Querfeld haben mich mit ihrer Melange aus urbanen Sounds echt geflashed, SCSI-9 auf der Turmbühne ebenfalls! Ein Spaziergang zu den Bachstelzen offenbarte ein Partyuniversum, in dem ich mich wohl nie heimisch fühlen werde, egal ob's (wie früher) mitten auf dem Gelände liegt - oder (wie jetzt) als Satellit ganz am Rande.
Den ganzen Tag tauchte Ulrike nicht auf, die Kids waren aber gut versorgt und beschäftigten sich mit Abenteuer bestehen (inkl. einer verlornen und wiedergefundenen Geldbörse). Sie kam dann irgendwann am späten Abend, war aber noch nicht in Festivallaune, sodass ich auf eigene Faust losging. Ich blieb an der Trancebühne hängen und traf Gal von Jazzsteppa, der die Hauptrolle in dem abgebrochenen Gig der Dubstep-Combo zum Frequen.C One Festival im Yaam gespielt hatte. Wir rauchten nach guter Stadtindianersitte einen Friedensjoint und unterhielten uns lange über viele persönliche Dinge. Das war einer dieser echten, wahren, unbeschreiblichen, verblüffenden und ganz speziellen Fusion Momente: diese unglaubliche Energie, die in der Luft liegt, und in der alle Gesetze des Alltags in Auflösung zu sein scheinen. Zu unserer Versöhnung spielte Daksinamurti, ein Highlight, das ich noch von einer Dwarfs&Giants-Tranceparty im RAW.tempel kannte. Anschließend schlenderte ich zu Ronny aka Kraftfuttermischwerk - und traf dort endlich einen Haufen der Berliner Dubheads! Gewohnt chillig und verspult passte alles wunderbar zusammen. Hatte ich wirklich im Vorfeld der Fusion überlegt, dass dieses mal vielleicht tatsächlich das letzte Mal sein sollte? Es war doch sooo schön hier... In dieser Freitag Nacht spielten auch noch die Tanzen Hilft Crew aus Hamburg auf - und Neil Landstrumm hatte einen richtig tollen Gig auf dem Querfeld (neben der Dubbühne dieses Mal mein Lieblingsort!).
In den Morgenstunden ging's zurück ins Zelt. Und von da an nahm die Fusion einen vollkommen anderen Verlauf. Denn es begann zu regnen. Vorsichtig formuliert. Genauer gesagt brach dann das nassfeuchteste Inferno aller Zeiten aus. Es kam auf feuchten Sohlen - und blieb, natürlich ungebeten, bis Sonntag Abend. In der Samstagnacht rollte eine Gewitterfront nach der anderen über das Festivalgelände, auf 12 Stunden Dauerregen folgten zehn Stunden Starkregen mit heftigen Unwettern, der sich im Anschluss an die Gewitterfronten noch einmal in ca. 6h Dauerregen re-transformierte. Es waren, kurz gesagt, die heftigsten Regenfälle in der Region seit 10 Jahren. Dementsprechend verwandelte sich die Fusion in einen Morast, eine Schlamm- und Matschlandschaft, durchbrochen von Seen, Festivalmüll und verlorenen Kleidungsstücken.
Ich selbst blieb die ganze Zeit im Zelt, nur hinausgezwungen von zwei, drei Dixie-Besuchsunterbrechungen mit Regenschirm. Viele Besucher bauten im strömenden Regen das Zelt ab und fuhren Sonntag Mittag nach Hause. Ich habe derweil Quintana Roo von James Triptee Jr. ausgelesen. Tillmann, der mitgereiste Kumpel von Yannick, hatte sich ausschließlich auf Sommer eingestellt und musste am Sonntag ebenfalls heimfahren, da all seine Klamotten sowie das Zelt (das ich bereits zu Beginn des Aufenthalts mit Gaffa geflickt hatte) durchnässt waren. Ich lieh im meine Flip-Flops, da sein einziges Paar Schuhe ebenfalls klatschnass war. Yannick setzte bei seiner Mutter durch, dass er seinen Freund begleiten durfte, Mikal blieb bei uns. Leider aber hatte Yannick ein kleines, aber wesentliches Detail übersehen: Er war noch im Besitz meines Autoschlüssels, sodass er, kaum zuhause angekomen, gleich wieder zurück kommen konnte... Dumm gelaufen, sagen wir mal...
Dann hörte es endlich auf zu regnen. Sonntag Nachmittag ging's also weiter mit der aktiven Teilnahme am Festival. Jelabee Cartel auf der Tanzwiese musste ich mir unbedingt anschauen - die Inder spielen ja demnächst in der Dienstagswelt. Kombinat 100, Son Kite, M.A.N.D.Y. - und dann Alle Farben im Salon de Baille. Eigentlich hatte ich mich mit Ulrike für unseren gemeinsamen Bekannten verabredet, aber wir haben uns dann doch wieder verpasst. Keine Seltenheit... Dafür traf ich Steen und Hugo, mit denen ich im Backstage dem Swing-Special von Frans (in seiner Seemannsuniform) zuhörte und -schaute. Ein paar Minuten Atmosphere konnten mir an dem Abend sogar noch einen Eindruck davon geben, dass Hip Hop auch heute noch guten Sound bieten kann.
Am Montag ging's dann entspannt zurück nach Berlin. Nachdem es in der Nacht zum Montag resp. am Vormittag noch einmal sieben Stunden Landregen gab, empfanden wir es irgendwie als Privileg, dass Nachmittags der Regen aufhörte und wir das nasse Zeug wenigstens im Trockenen einpacken konnten. Jedenfalls ist klar, das war kein Event für Schönwetter-Raver...
Und nächstes Jahr? Ich weiß noch nicht...