Donnerstag, 18. August 2011

Octopussy's Garden

Heute war ich beim Krake Festival. A Week Of Good Music - wie der Lateiner sagt. Ein Untertitel, über den sich trefflich reden lässt... Gute Musik war heute: THE FIELD — live, THREE TRAPPED TIGERS  — live, EMIKA — live, DJ SCOTCH EGG — live, RUDI ZYGADLO — live, sowie DJs vom Leisure Sys­tem. Ich kenne nix davon, egal. Krake ist Experiment, ist unerwartet, extrem, laut, konsequent, großartig! Musik an der Schnittstelle zur Improvisation, Free Jazz, Psychedelic, 8Bit, Drone, Noise und dem puren Wahnsinn. Das Ganze wurde gekrönt vom Hof des Festsaal Kreuzberg, in dem wir an diesem 18. rsp. 19. August eine der spärlich gesäten lauen Sommernächte verbringen. Don ist dabei, sein ehemaliger Mitbewohner (der die schönen Portrais im Rahmen des Netaudio Festivals gemacht hat) und Julia, auch eine Bekannte Dons. Am Eingang gleich haben wir kurz mit Niko gesprochen, Mastermind des Festivals und jemand, mit dem ich/ wir ja auch gerade darüber nachdenken, ob eine Kooperation zwischen Netaudio und Krake Sinn machen könnte. Auch Silvio von Crazy Language war natürlich da, Gastgeber der Sonntags-Abschlußkrakelage auf der Jacky Terasse. Das kann auch eine sehr schöne Stimmung werden, vielleicht so schön, wie im Garten der Krake an diesem heutigen Abend. Das Publikum war sehr internatinal - Vertreter der Berliner Feier-Crowds suchte man vergebens. Ich würde auch sagen, der Anteil an klassischen Berlin-Touristen war eher gering. Das dürfte sich ändern, wenn die Krake ihre nächsten beiden Arme in den Suicide Circus ausstreckt, wo ein wirklich Aufsehen erregendes Lineup — und ebenfalls ein schöner Hof — die Mengen von der Warschauer Straße fangen.

Pünktlich zum Festival gibt's diese Diskussion um den Suicide Circus, gefüttert von einem Plakataushang im Kiez und flankiert von Demowagen vor dem Club. Alle Aktivitäten ziehlen darauf ab bekannt zu machen, dass Thilo Tragsdorf, seines Zeichens Enfent Terrible für die Verlierer und Bedrohten der Gentrifizierungs-Aktivitäten im Kiez, Finanzier des Clubs — und auch sein finanzieller Nutznießer ist. Der auch gleichzeitig diese Prozesse massiv und in höchstmöglichem Tempo auf dem RAW-Gelände vorantreibt. Ich persönlich habe entschieden, dass ich hier konsequent sein will und auf den Gaststatus im SC verzichte. Ich finde es indes trotzdem schwierig, alles in ein schwarz-weiß-Schema zu pressen. Ralf, der Booker vom Suicide Circus, ist sicher kein Feindbild und viele Veranstalter am Ort sind es auch nicht. Die Gäste tun wahrscheinlich auch niemandem etwas zu leide — aber darum geht's ja auch, ein Bewusstsein bei spaßorientierten Clubgängern für die Zusammenhänge der Entwicklung im Unterhaltungsangebot auf dem Platz zu fördern. Flankiert wird das Thema an einem Nebenschauplatz, dem ehemaligen "Rokoko-Garten" und jetzigem "Geheimen Garten". Hier stellt sich die Frage, wer ein rechtmäßiger Nutzer ist - und somit werden die seit Jahren tobenden Platzkonflikte weiter befeuert.

Im Garten des Kraken sitzend, denke ich ein wenig über die Dienstagswelt, das neue Büro in der Wühlischstr. und andere Prozesse nach, die mich derzeit ausfüllen. Wie sanfte Wellen wogen die Gespräche von den Nachbartischen und Grüppchen umstehender Leute in zahlreichen Sprachen durch mein Bewusstsein, schwerelose, bunte Wellen aus Schall und Klang. Ich muss in dem Moment an die Beatles und ihr Octopussy's Garden denken, und finde es als ein musikalisches Pendent zu "People Are Strange" von den Doors. Es ist eine liebenswerte Verrücktheit hinter einer Fassade von Konventionen, der hervorgekehrt werden will. Das schafft das Krake Festival. Scotch Egg indes ist meines Erachtens mehr wahnsinnig als nur verrückt. Seine Show ist eine Persiflage an Urbnes Jackass-Posertum, mit kleinen, feinen handwerklichen Tricks und Techniken, unerwarteten Sounds, Brüchen und atmosphärischen Wendungen sowie brachialer Konfrontation mit den Frequenzen aus reinem Geräusch. Sinnbild dafür ist eine leicht skurrile  Wollmütze — vielleicht eine Art Bildersturm auf die
Jungs aus der japanischen Hood? In jedem Falle aber eine Art Magic Hat für den japanischen Vulkan, für den die Musikperformance eine zivilisierte Form des Kampfsports darstellt. Auch Three Trapped Tigers und Emika können beeindrucken. Allerdings stört mich irgendwann bei Emika die etwas langatmige Endlosvariation eines elektronischen 90er Jahre Trance-Beats, zu dem mäandernd durch live gespielte außergewöhnliche Perkussion- und teilweise psychedelische Bassläufe sehr viele großartige Akzente gesetzt werden — inkl. plötzlicher Tempiwechsel, Offbeats und seltsamer elektronischer Geräusche.

Am Ende schaffe ich es noch vor dem sich massiv ankündigenden Gewitters nach Hause zu kommen. Octopussy's Garden ohne Wasser wäre ja auch kaum denkbar...


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