Donnerstag, 16. Juni 2005

"Ein Mann wie Steffi Graf": Lesung mit Wiglaf Droste und Gerd Dembowski

So kann man auch über Fussball reden. Was die beiden auf der Bühne des Ambulatoriums zum Besten gaben, gehört wirklich mit zum Witzigsten, was ich in puncto literarischer Unterhaltung erlebt habe: Hier mal ein paar Kostproben - den Review zur Veranstaltung könnt ihr hier bei Wortgestöber lesen!

Die größten Lacherfolge hatte Dembowski dann ausgerechnet einem seiner Lieblingsfeinde zu verdanken: Lothar Matthäus. Durch ein oranje-grünes "Heineken"-Megafon gab er Statements des Rekord-Nationalspielers zum Besten, die er ironisch kommentierte. Sein Appell ans Publikum ("Ich möchte keinen Applaus für Zitate von Lothar Matthäus") verpuffte erwartungsgemäß: Zu dankbar ist der "Frrongge Lodda" als Opfer. Zu zahlreich die Anzahl seiner Grätschen wider die Vernunft, zu häufig unterbrochen die Standleitung zwischen Hirn und Sprachzentrum. Das führt naturgemäß zu Aussetzern und beschert ihm lauter unvermeidbare semantische Eigentore.

An den Kostproben dieser Irrungen und Wirrungen konnte sich das Publikum kaum satt hören. Angefangen mit "Ein Lothar Matthäus kann es sich nicht leisten, sich zu blamieren", über "Ich bin alt genug als Bundestrainer" bis hin zu jenem wohlmeinenden Tipp an Christoph Daum während der Koksaffäre: "Wichtig ist, dass er nun eine klare Linie fährt." Das Matthäus-Zitat "Wenn ich eine Frau wäre, würde ich den ganzen Tag an meinen Brüsten spielen" entlarvte schließlich Wiglaf Droste als von Woody Allen geklaut. Bleibt die Frage: Kennt ein Mann wie Lothar Matthäus Filme von Woody Allen?

Auch vom Ostwestfalen Droste bekam er naturgemäß sein Fett weg. Der ist ihm mal auf einer Party ihn Wien begegnet. Dort trainierte Lothar Herbert Matthäus mit Rapid Wien einen Klub, den er (O-Ton Droste) "im Rahmen seiner Möglichkeiten relativ sicher in Richtung Untergang führte". Droste belegte, dass die entgleiste Wortakrobatik nicht nur auf Seiten Matthäus' zu suchen ist: "Da geht er, ein großer Spieler, ein Mann wie Steffi Graf", habe Reporter Jörg Dahlmann andächtig nach dessen Abschiedsspiel verlauten lassen.

Einen Höhepunkt bzw. Tiefschlag lieferte auch Berti Vogts' Aussage "Hass gehört nicht ins Stadion, solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben." Der Rückgriff auf weit verbreitete Klassiker (Andi Möller: "Ob Mailand oder Madrid - Hauptsache, Italien!") störte dabei niemanden. Dass es die beiden Vorleser nicht beim Entblößen des quacksalbernden Nonsens beließen, verlieh der Lesung eine zusätzliche Dimension, die der Reflexion über gesellschaftliche Auswirkungen des Fußballs. Ebenso musikalisch wie versöhnlich klang der Abend aus: Im Duett gaben die beiden Songs von Johnny Cash zum Besten. Das trieb nicht nur dem sonst eher brunftig wirkenden Wiglaf Droste Sentimentalität ins Auge. Das Publikum war zu Recht gerührt. Denn was hier zu hören war, hatte nichts mit "Rudi's Reste-Rampe" zu tun, worauf Dembowski jüngste Gesangs-Eskapaden der WM- Nationalkicker reduziert hatte. Das war einfach ein Genuss. Und zum Schluss gab es sogar noch eine richtig sportliche Einlage: Nachdem René Lembke von der AFFI den beiden zum Dank zwei Pokale überreicht hatte, feierte der eine von beiden die Übergabe gebührend mit zwei Radschlägen.

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