Montag, 7. Mai 2012

Tage ausserhalb der Zeit :: Ein Märchen über die Bar25

Das war gestern einer jener Sonntage, die so unspektakulär anfangen - nur um dann in einem unverhofften Crescendo lauter angenehmer Zusammenkünfte zu enden. Dabei beginnen Geschichten über unspektakuläre Sonntage häufig mit dem Umstand, dass der Protagonist zu Hause sitzt und nicht so recht weiß, was er mit dem angebrochenen Sonntag so machen soll. Den Bar25 - Film "Tage ausserhalb der Zeit" stand seit einigen Tagen (also genauer seit deinem Pre-Release am vergangenen Wochenende an alter Bar25-Stelle) auf meinem Wunschzettel. Warum ihn nicht heute anschauen? Über Facebook startete ich dann einfach mal einen Aufruf um heraus zu finden, ob ich vielleicht den ein- oder anderen Gleichgesinnten finden könnte - damit ich nicht alleine ins Kino muss.

Es stellte sich heraus, das Christoph aka Barto und Stefan von Ad Arta - der unseren schönen Dienstagswelt-Trailor gemacht hat - um 20:00 in Friedrichshain im "Ladenkino" (b-ware) verabredet waren. Da war ich ja noch nie. Außerdem liegt es nicht weit weg vom Salon Blaue Elise - sodass ich vorher noch auf einen Kaffee dort vorbei fahren könnte.  Verschiedene weitere Interessenten hatten sich zunächst nicht gefunden.
Im Salon angekommen war nicht viel los, sodass ich mich auf unser Biedermeier-Sofa verkrümelte und erst mal Emails über unser noch recht frisches WLan im Laden abrief. Eine lange Mail von Vanessa war darunter, mit der ich seit ein paar Wochen einen ausgiebigen und angregten Gedanken- und Gefühlsweltenaustausch betreibe. Gerade will ich zur Antwort ansetzen, da kommt Benni hereinspaziert - und es stellt sich heraus, dass er auch gerade ein wenig die Zeit totschlägt. Er entschließt sich, mit ins Kino zu kommen. Eine Message trudelt ein, das auch Yagama, die ja erst jüngst nach Friedrichshain gezogen ist, Lust hat, mitzukommen. So sind wir also alle gegen 20 Uhr im gemütlichen, alternativen Ladenkino - das von Skully betrieben wird, den ich ja noch vom RAW kenne. Skully hatte einst die Videothek "Filmkunst" auf der Revaler Str. betrieben (macht er jetzt immer noch - nur eben in der Gärtnerstrasse - und nun auch mit Kino). Damals plante er, gegenüber vom MIKZ eine alternative Kinolandschaft entstehen zu lassen - und war einen schönen Sommer lang verantwortlich für den Garten hinterm MIKZ - und allerhand schöne Open Air Veranstaltungen. Leider ist auch er ein Opfer der ekelhaften Eigentümer des RAW-Geländes geworden, die ihn nicht nur finanziell in die Knie gezwungen haben, sondern die darüber hinaus auch soviel Druck auf ihn und seinen damaligen Partner ausübten, dass diese bis dahin sehr gut funktionierende Allianz über die Frage der richtigen Strategie zerbrach. Wie dem auch sei, jedenfalls stolperten wir eine Viertelstunde vor Filmbeginn in sein Kino - und trafen Rüdiger Wenk aka Micorus, der ja lange Zeit für meine Dienstagswelten als VJ fungierte und der hier gerade seinen 46sten Geburtstag feierte. Also gab's erst mal Sekt und Cookies - Yagama hatte auch noch ein Zaubertütchen mitgebracht, Stefan noch seine Freundin - und so wurde aus dem langweiligen Sonntag eine bunte Kinogesellschaft in allerbester Stimmung.

Der Bar25 Film ist ein sehr liebevolles Märchen, mit vielen dokumentarischen Aspekten, ganz viel Spinnerei, detailverliebten Blicken in eine bunte Parallelwelt - mit einer großen Portion Absurdität, menschlicher Wärme und authentischer Herzlichkeit. Die beiden Regisseurinnen Britta Mischer und Nana Yuriko haben tatsächlich die ganzen sieben Jahre, die die Bar25 existiert hat, mit Kamera und viel Durchhaltevermögen begleitet, sehr private und sehr skurrile, sehr bunte und einfach wundervolle Bilder eingefangen - und zu einem Märchen verwoben. Der Film ist dennoch mehr ein Sittengemälde einer hedonistischen Gemeinschaft als eine Dokumentation. Er will den Ausdruck eines Lebensgefühls einfangen, wie es wahrlich nicht nur am hier skizzierten Ort in der jüngeren Vergangenheit zelebriert worden ist. Die Bachstelzen, Pyonen, das Fusion-Festival, die hedonistische Internationale und viele andere Aktivisten haben vielerleit Orte geschaffen, an denen sich jener Geist erspüren, erfahren, erleben lässt, wie ihn dieser Films über die Bar beschwört.

Dennoch lässt der Film natürlich viel mehr aus, als er einfängt. Aber so ist das bei Märchen: Die Geschichte und die Moral stehen über der Wahrheit - die ohnehin subjektiv ist - und in der Bar25 auch gerne mal zur unwichtigsten Nebensache der Welt werden konnte. Auch die einsetzenden Mechanismen, die zum Ende dieser libertären Feierepoche in Berlin führen werden,  spielten eine Rolle: Der Kampf um den Verbleib auf dem Spreegelände als politisches und rechtliches Strategiespiel, die Teilnahme an der Initiative "Mediaspree versenken", die sich dem Erhalt der Freiräume am Spreeufer verschrieben hat - und schließlich die (vorläufige?) Vertreibung aus dem Paradies sind dann aber doch Aspekte, die den märchenhaften Rahmen verlassen und den Einbruch der Realität in das Paralleluniversum Bar25 nachzeichnen. Die Kapitel, die an die dokumentierte Zeit anschließen - den Auf- und Ausbau des "Kater Holzig" - sowie die jüngsten Pläne zum Kauf des ehemaligen Bar25 Geländes und konzeptionelle Entwicklung einer krativen Wohn-, Arbeits- und Feierlandschaft kommen dann nicht mehr vor. Ebenso, wie die fortschreitende Kommerzialisierung durch bspw. Sponsoren wie Adidas zur Fussbal-WM 2010.

Die Bar25 wird nicht zurück kehren, es sei denn, als Merchandise-Artikel für zukünftige Berlin Touristen. Vielleicht hat das Ende im verflixten siebten Jahr die Bar25 davor bewahrt, einen ähnlichen Weg zu gehen wie Loveparade oder andere Blüten Berliner Feierkultur, deren Street Credibility rsp. internationale Reputation von Industrie und Kommerz entdeckt wurden. Vielleicht kam das Ende gerade noch rechtzeitig, um Mythos und Macher vor dem  Shitstorm einer in die Subkultur verliebten Szene zu bewahren. Sollte das genossenschaftlich organisierte Nachfolgeprojekt an alter Bar25-Stelle wirklich realisiert werden, dann mag es als Lohn für eine konsequente, ja extreme Lebensform dieser Gruppe von Leuten zur Blüte gelangen. Eingestiegen ins Bieterverfahren ist man jedenfalls. Ob es allerdings noch einmal ein besonderer, ja: magischer Ort werden kann, wie in den Tagen des Wunderlands für Erwachsene, des Paradies hinter dem Bretterzaun, des hedonistischen Zirkus, der Sphäre für Unmögliches und Verbotenes, des Jahrmarkts der Extase, der Freakshow als Living Theater, der Kunst, aus allem Kunst zu machen - sowie des wunderbaren Beispiels für ein konsequentes, selbstbestimmtes Leben jenseits gesellschaftlicher Normen, muss dann leider doch bezweifelt werden...

Nach diesen schönen, cineatsischen Eindrücken stand noch die Einladung zum Dinner bei Yagama aus, das mit Bohneneintopf, selbst geernteten bulgarischem Minztee sowie einigen Zauberzigarettchen und viel angenehmen Gesprächsstoff bestach. Zum Abschluss des Tages ging's dann noch ins Golden Gate - zu Andrés "Laut Leise" Party. Hier hatte ich mich noch mit Nadja Lind verabredet, die in dieser Sonntagnacht hier ein paar Tracks auflegte. So konnte ich nach tatsächlich jahrelanger Zeit mal wieder ein paar längere, persönlichere Sätze mit der ehemaligen netlag-Resident DJane wechseln. Als ich gegen 4 Uhr zu Hause ankam, konnte ich kaum glauben, wie schön sich dieser Tag entwickelt hatte. Sowas kann gerne viel öfter passieren!

Mittwoch, 22. Februar 2012

Ankündigung der Berliner Zeitung zum BarBitchesBall 2012






Der Club Magnet, zum zweiten Mal
Gastgeber des Bar Bitches Ball
Foto: Benjamin Pritzkuleit
Berlin - Sie stehen das ganze Jahr über an der Tür, der Garderobe, hinter der Bar, am DJ-Pult oder vor den Klos und arbeiten auf diese Weise am Image Berlins als Party-Stadt. Doch einmal im Jahr dürfen Berlins Nachtarbeiter selber einen draufmachen.

Und das ist bekanntlich weiterhin eines der wenigen Merkmale, bei denen die Stadt wirklich Weltruf hat. Die Angestellten der zahllosen Clubs der Stadt sorgen dafür, dass das internationale Publikum feiern kann – oft von spät abends bis weit in den nächsten Morgen hinein. Einmal im Jahr dürfen Berlins Nachtarbeiter selber einen draufmachen. Zum Beispiel am Mittwoch im Magnet in der Falckensteinstraße in Kreuzberg. Dann ist Bar Bitches Ball. Nicht nur Branchenangehörige sind geladen, auch Externe sind willkommen. Mit insgesamt 1000 Gästen wird gerechnet.

Zum fünften Mal veranstaltet die Clubcommission, ein Zusammenschluss namhafter Club- und Labelbetreiber der Stadt, die Party der Partymacher. Neben Liveauftritten von Musikern der Genres HipHop, Rap und Powerpoppunk gibt es auch eine Electronic Stage mit DJs wie Alle Farben oder Leevey.

Doch vor der Party – man ahnt es – steht beim Bar Bitches Ball die Arbeit. Club- und Labelbetreiber sind zu Diskussionen vor allem um die Zukunft des Musicboards eingeladen. Dieses Board ist eine mit einer Million Euro ausgestattete Einrichtung des Senats und soll sich um die Belange der Branche kümmern, die unter Verdrängung aus den Innenstadtbezirken leidet.

„Wir wollen hören, was unsere Mitglieder für Forderungen an den Senat haben“, sagt Raimund Reintjes, lange Jahre Betreiber des RAW-Tempel in Friedrichshain, mittlerweile Organisator des Bar Bitches Ball bei der Clubcommission. Eines ist Reintjes aber mindestens so wichtig: „Anschließend feiern wir uns selbst.“ Mit großem Recht, wie er findet. Schließlich gehe es der Branche „insgesamt ganz gut“, sagt er. „Die Clubszene steht heute sehr stark da.“ (elm.)

Bar Bitches Ball: Mi., 23 Uhr. Magnet Club. Falckensteinstr. 47, Kreuzberg, Eintritt: 6 Euro

Samstag, 4. Februar 2012

Holy Shit :: Tim Hecker spielt "Ravedeath 1972" in der Passionskirche

Es ist mal wieder Club Transmediale - kurz CTM. Und wie schon seit vielen Jahren kann ich auch dieses Mal nicht umhin, die vielen tollen Programmpunkte zu bestaunen, die Jan, Remko und Mitstreiter mal wieder an Land gezogen bzw. aus der Taufe gehoben haben. Das diesjährige Motto heißt: Spectral. Nun ja - schön unverbindlich, wie fast immer. Eine ganze Menge Panels und Happenings beschäftigen sich z.B. mit dem Zodiak Free Arts Lab, jenem legendären Improvisations- un Sessionraumvon Conrad Schnitzler und Hans-Joachim Roedelius. Es gilt als der Geburtsort von Bands wie Tangerine Dream, Ash Ra Tempel - später erwuchsen daraus Kluster / Cluster oder die Solokarriere von Klaus Schulze. Vielleicht so etwas wie der Kreissaal der Berliner Elektronikszene, die neben Köln, Düsseldorf und München die Ursuppe der Krautrock Bewegung - und damit der elektronischen Musik als Genre, bildeten. Doch leider sind hier die ganzen spannenden Programmpunkte an einem Dienstag - doch der gehört der Dienstagswelt - ist doch klar!

Photo by Marco MIcrobi
Bogdan macht mich indes auf ein anderes Event aufmerksam, ein Orgelkonzert vom Kanadier Tim Hecker in der Passionskirchze Kreuzberg. Heilige Scheiße - was soll denn das sein? Ein Orgelkonzert in einer Kirche auf der CTM? Ok, dachte ich, da muss was hinter stecken, sonst würden weder CTM noch Bogdan aka Dr. Nojoke mir soetwas ans Herz legen. Es stellte sich heraus, dass es einerseits natürlich um Orgelklänge geht, andererseits aber auch um den Luftstrom, der durch die Pfeifen strömt, an dem der Künstler tatsächlich ebenso interessiert ist: Mit seiner Hilfe erzeugt Hecker seltsame Effekte, verhuscht, ambient und drony (das Wort musste ich gerade erfinden), um diese, elektronisch moduliert, über die Orgelklänge zu legen. Das klingt wirklich abgefahren und trifft so ziemlich genau meinen Geschmack elektronischer Hörkunst! Das Artwork zu seinem entsprechenden Album ziert ein Foto aus dem Archiv der Massachusetts Institute of Technology, das Studenten im Jahre 1972 bei einem alljährlichen Ritual – dem Piano Drop - zeigt.

Auch Lenka, eine Freundin aus Tschechien, kam mit - und so verabredeten wir uns alle am Samstagabend (04.02.2012) vor der Kirche. Vor der Kirche... haben sich dann auch noch gefühlte 1500 weitere Musikfreaks verabredet! Es dauerte Ewigkeiten, bis alle drin waren. Zum Glück hatten wir unsere Karten schon vorher gekauft, denn das Konzert war überknackevoll. Einen Sitzplatz zu ergattern war unmöglich, aber der klirrenden Kälte draußen zu entkommen war ja schon mal mehr als angenehm. Genauso, wie das folgende Konzert, dass ca. 75 Minuten dauerte und ohne jedwede Inszenierung auskam.

Photo by Marco MIcrobi
Im Anschluss trafen wir noch Alex Albert aus London, die zur CTM nach Berlin gekommen war und schon reichlich verfeiert bzw. vom Programmmarathon mitgenommen wirkte. Wir verabredeten uns später noch in der Ritter Butzke, doch außer Heidi, mit der ich ebenfalls verabredet war, und verschiedenen Menschen, die ich dort ungeplant traf, tauchte niemand von meinen Konzertbegleitern auf. Es war trotzdem ein großartiger und runder musikalischer Abend...

Sonntag, 15. Januar 2012

15.01.2012 :: Time- and space-travelling mit Bevis Frond

Bassy Cowboy Club
Der Bassy Cowboy Club mausert sich echt zu meinem angesagtesten Live Club! Er hat genau die richtige Größe, ist in Rot und Gold gehalten, mit Spiegelkugel, charmanten 60ies-Einsprengseln und nur was für echte Cowboys. Und Cowgirls. Einmal mehr also stand ich vor der von rotem Samt bekrönten Bühne des Clubs in der Schönhauser Allee, im Basement vom ehemaligen Pfefferwerk, an das ich auch so viele schöner Erinnerungen aus den 90ern habe. Und seit den 90ern - genauer gesagt seit ziemlich genau zwei Jahrzenten, ist es her, dass ich The Bevis Frond live gesehen hatte. Ich war da im Ausklang von meiner Stoner Rock - oder wie ich es damals nannte: "Neo-Psychedelic" Phase: Monster Magnet, Sun Dial, Bullet Lavolta, Strobe oder eben Bevis Frond - alle konnten sie endlos lange Gitarrensoli anstimmen, um neben den schönen Melodie auch bewusstseinsvernichtende Wahwahs - gleich einem nicht enden wollenden Ionensturm - auf die Zuhörer loslassen. Und Bevis Frond, soviel ist seit heute sicher, können es immer noch.

Die jüngst erschienene Platte "Leaving London" kommt zwar nicht ganz an die Highlights der alten Tage 'ran, aber die Qualität der Songs ist wirklich sehr gut und zwei, drei Songs bieten sich sogar als echte Hymnen an. Nick Saloman wollte es irgendwie wohl wirklich wissen, und nach dem schönen Release kam gleich ein toller Auftritt hinzu. Eine perfekte Mischung aus allem, was die Band ausmacht - vom melodischen Folkrock bis hin zu 20 Min Gitarrensessions, von Psychedelic bis zu Stoner und zurück. Altes und Neues gut gemischt und garniert mit einen extrem unprätentiösen Humor Nick Salomans und der Band. Einfach Alles stimmte. Das Bassy war rappelvoll, also voller eingefleischter Fans - und, kein Wunder, ich entspach dem Altersdurchschnitt. Danke, Nick Saloman - danke, Bevis Frond - und danke Bassy!

Ein kleines Extra gab's noch oben drauf, da mittlerweile Hawkwind Bassist Adrian Shaw (spielte dort 1977 / 1978) nun (neben seinem Bassistendasein bei dem Hawkwind Spinoff Hawklords) bei Bevis Frond den Bass spielt - und einen Moment lang hatte ich gehoff, das letzte Lied der Zugaben, eine Coverversion, könnte Silver Machine oder Urban Guerilla als Remineszenz an diese epochale Space Rock Band nachspielen, aber dieser stille Wunsch war das einzig Unerfüllte an diesem Abend...  

Irgendwie passt die geballte Ladung Gitarren zu meinem derzeitigen Krautrock-Rausch, in den ich verfallen bin. Dutzende Entdeckungen aus einer Zeit, in der sich die elektronische Musik in Deustchland entwickelte und die auf sehr experimentelle Weise eine eigene Rocktradition begründete. So passt es auch irgendwie ins Bild, dass der Vater von Bandleader Nick Saloman aus Berlin stammt. Wenigstens so halb? Naja...

Samstag, 10. Dezember 2011

Dostojewskijs "Der Spieler" in der Volksbühne - Fernsehen mit Castorf

Unglaublich - Raimund geht in's Theater - das ist ja noch seltener als einen Sack Goldmünzen unter'm eigenen Bett zu finden... Es war irgendwie auch nicht meine Schuld - sondern die des Nikolauses in Form meines WG-Mitbewohners Martin, der alle WG-Genossen ins nahe gelegene Scheinbar-Varieté einladen wollte. Das ist eine winzige Bühnenspielstätte in Kneipengröße und mit doppeltem Underground-, Off- & Geheimtipp- Bonus. Sowas mag ich ja eigentlich - obwohl das angekündigte Programm eigentlich nicht viel aussagte. Aber irgendwie hätte das eine WG Ausflug in ein kleines Etablissement um die Ecke werden können, ohne großen künstlerischen Anspruch - dafür im ungezwungenen Ambiente. Tja, ausverkauft... Irgendwann schickte Martin also die SMS, dass er stattdessen Karten für Frank Castorfs Inszenierung von Dostojewskijs "Der Spieler" in der Volksbühne reserviert hätte - und die Nachricht traf mich wie ein Nackenschlag mit einem Zweihänder. Seit Jahrzehnten verweigerte ich dieser Kunstform nun schon hartnäckig meine Aufwartung, obwohl z.B. meine Schwester Schauspielerin ist - und in Rollen spielt, für die sich der Rest meiner WG ein halbes Jahr im Voraus Karten reserviert. War das etwa ein perfider Plan, mir jedwede Argumente zu rauben, mich einem Besuch eines Stückes von meiner Schwester weiterhin zu entziehen? Oder stecken noch andere, viel missionarischere Absichten dahiner?

Jedenfalls kam der Samstag (und die gemeinsame Fahrt zur Volksbühne) in einem Tempo gleich einer polierten Bowlingkugel in einem Eiskanal. Vor Ort erinnerte ich mich an meinen letzten Besuch in dem Etablissement - noch mit meiner damals frisch angetrauten Ehefrau Antje, wo wir eine 8 Stunden-Inszenierung der Niebelungen gesehen hatten, die ich nur mit äußerster Mühe und viel verliebter Hingabe überstand. Und auch dieses Mal erwischte uns die temporale Keule mit voller Wucht: Das Stück begann um 19 Uhr - und endete ohne Vorwarnung erst kurz vor Mitternacht! Wir hatten alle mit einer 2,5-Stunden Inszenierung gerechnet - aber nein, natürlich ... Wenn schon - denn schon...

Scheer, Angerer& Rois in "Der Spieler"
Als nach gut 2h Pause war, war ich doch sehr angetan: Fast vollkommen losgelöst von der Vorlage des Originaltextes von Dostojewskij wurde hier ein sehr unterhaltsamer Rahmen aufgespannt - mit insbesondere zwei unglaublichen Sprecherrollen, die kilometerweise Text abspulten, dass ich mich frage, ob das wirklich alles von einem einzigen Menschen gelernt werden kann. Oder standen dort Klone auf der Bühne? Oder gab es an zwei Dutzend Stellen die Regieanweisung: 'Erzähl' halt irgendwas, pack möglichst viele Worte in die Minuten, rassel es runter wie ein Wasserfall - nur sieh zu, dass es irgendwie zur Stimmung passt...' Fast bin ich geneigt zu glauben, dass es wirklich nur jeweils eine weibliche und eine männliche Person waren, die in der enstprechenden Rolle steckten - und das finde ich sensationell. Namentlich: Kathrin Angerer und Alexander Scheer, den ich schon im Film "Sonnenallee" gesehen habe und der zurzeit auch noch als Percussionist mit "The Whitest Boy Alive" auftritt. Schauspielerisch sehr ansprechend fand ich auch Grimmepreisträgerin Sophie Rois.

Ansonsten war das Theaterstück zu großen Teilen wie Kino, weil der zentrale Raum des Stücks, das Casino, gar nicht vom Publikum einsehbar war, sondern nur durch den Einsatz einer Livekamera auf eine große Projektionsfläche übertragen wurde, die in der Kulisse eines Viertels der Drehbühe aufgestellt war. Das hat mir sehr gut gefallen, ebenso wie die zahlreichen Anspielungen an moderne Spieler, "Playboys" und Musiker wie Mick Jagger oder Brian Jones und weitere Aspekte der Popkultur. Die Handlung zerfaserte für mein Empfinden ziemlich, einige Bilder verstand ich dann auch nicht, so z.B. 'die Kartoffel, auch die "Preussische Orange" genannt' - oder das 'deutsche Krokodil'. Und am Ende war auch meine Aufmerksamkeitsspanne überdehnt. Trotzdem muss ich sagen, dass mir das Stück gut gefallen hat und meine strikte Ablehnung gegenüber dem Theater tatsächlich ins Wanken gekommen ist. Verdammt!

Im Anschluss an diesen Abend traf ich mich noch mit Heidi im "Gretchen" zum "Klub der Pioniere", eine Veranstaltungsreihe, die ja sonst im MIKZ stattfindet. Marc Miroir (Paso Music) hatte mir freundlicherweise Gästelistenplätze zu Verfügung gestellt. Bei der Gelegenheit fand ich heraus, dass es noch einen zweiten, kleineren Raum im Gretchen gibt - und, dass auch andere Veranstaltungen mit einem tollen Lineup Anfang Dezember unter Besucherschwäche leiden. Ich muss sagen, da haben wir mit unserer Dienstagswelt - trotz der touristenarmen Schwächephase - noch deutlich mehr Gäste auf unseren Parties, als in dieser Nacht im Gretchen weilten... Und auch nettere! Es war trotzdem ein schöner Abschluss mit ein paar Vodka-Mate und Musik von Turmspringer, Pornbugs, Marc Miroir und anderen. Ins Stattbad Wedding wollte ich anschließend aber nicht mehr mitgehen - irgendwann ist auch mal gut.

Freitag, 2. Dezember 2011

Spiel mir das Lied Deines Lebens :: Premiere im Salon Wilde Renate

Oh je... Das war schon wieder eine Überdosis RAW. Dennoch: Daran habe ich ja länger gearbeitet, dass die Jungs mit ihrer Schow rund um das besondere Lied mit der besonderen Geschichte in der Renate heimisch werden können. Leider konnte ich selbst nicht anwesend sein, weil ich im KlickClub (ex PHB-Club) Künstlerbetreuung machen musste. Gab gut Geld - und das konnte ich nicht sausen lassen. Aber irgendwie war ich auch froh, dem RAW Dejavu entkommen zu können. Fazit: 4 zahlende Gäste, alles Geld versoffen.

Samstag, 26. November 2011

Eröffnung Salon Blaue Elise

Endlich ist es soweit: Jule und ich eröffnen unseren "Salon Blaue Elise" in der Samariterstr. 17. Insgesamt ist es doch viel antiker geworden, als wir uns zuerst gedacht haben, aber uns beiden gefällt's! Die Eröffnungsfeier wird ein rauschendes Fest bis in den Morgengrauen - mit special guests aus London: Ganz überraschend kamen Chris & Hannah durch die Tür spaziert, die gerade auf Berlin-Besuch waren und von Antina von unserer Eröffnungsparty erfahren hatten. Wie es sich für gestandene Finninnen und Briten (mit deutscher Verwandtschaft) gehört, waren sie die letzten Gäste..! Ein toller Auftakt - jetzt muss es uns nur noch gelingen, den Laden an's Laufen zu bekommen...