Donnerstag, 23. Juni 2011

Popol Vuh Revisted - Ein Remix Release Abend im Coockies

Tja, schwer zu sagen, ob heutzutage mehr Menschen das Cookies oder Popol Vuh kennen..? Ich meine den geschichtsträchtigen Berliner Club - und die noch viel geschichtsträchtigere Band um den 2001 verstorbenen Elektronik-Pionier Florian Fricke, Gründer der Band Popol Vuh. Kleiner Exkurs zu Wikipedia:

Um 1967 traf Florian Fricke den Regisseur Werner Herzog, in dessen Spielfilmdebüt "Lebenszeichen" er eine Rolle spielte. Fricke schrieb ab 1971 auch die Musik für mehrere Filme von Werner Herzog, u.a. für Aguirre, der Zorn Gottes, Herz aus Glas, Fitzcarraldo und Nosferatu - Phantom der Nacht (mit Bruno Ganz und Klaus Kinski).Florian Fricke gehörte seit 1969 mit zu den ersten Musikern, die einen Moog III-Synthesizer nutzten. Seine Veröffentlichungen unter Verwendung dieses signifikanten Instruments bis 1972 sollten die Elektronische Musik in Deutschland prägen. Fricke sagte 1970: "Die Musik, die man mit einem Moog machen kann, umfasst schlechthin die Empfindungsmöglichkeiten des Menschen".
Gemeinsam mit Holger Truelzsch und Frank Fiedler gründete er 1970 die Gruppe Popol Vuh, die dem Krautrock zugeordnet wird. Der Name ist der Mayakultur entlehnt und erinnert an die Schöpfungsgeschichte des Menschen. Die Band, die oftmals christliche oder mystische Motive in ihrer Musik umsetzte und zu Gunsten eines ätherischen Klangs weitgehend auf elektrische Gitarren verzichtete, veröffentlichte bis 1997 über 20 Alben.
Neben der Arbeit mit Popol Vuh arbeitete Fricke mit zahlreichen Musikern zusammen. Er war 1972 auf dem Album "Zeit" der Gruppe Tangerine Dream zu hören, eine weitere Zusammenarbeit bestand mit Renate Knaup von Amon Düül II.

Johannes, so heißt nun sein Sohn, hat dieses Event angeleiert - und ich war gespannt wie ein angelsächsischer Langbogen. Im Vorfeld hatte ich mit Johannes Fricke ein paar Mails hin- und hergeschoben, weil uns ein gemeinsamer Kollege unbedingt zusammen bringen wollte. Er war der Meinung, dass Johannes da ein interessantes Projekt anschiebt - und Raimund ein interessantes Event daraus machen könnte. Ich denke, er hatte Recht - aber wir kamen trotzdem nicht zusammen. Letztendlich ist Johannes Fricke in der Welt der Kunst zuhause, in der sich Vernissagen, Empfänge und internationales Bussitum aneinander reihen wie die Zuchtperlen der Halskette seiner Mutter, die an jenem Abend übrigens auch da war. Und ein Gespür für Musik, zumal elektronische, sowie für Clubkultur war eher nicht erkennbar. Andererseits liest sich die Liste der involvierten Musiker wie ein who-is-who der letzten 15 Jahre deutscher Elektronik - und mit dem angekündigten Veranstaltungsort "Kino International" war eigentlich ein brauchbarer Rahmen aufgezogen. So ließ ich schließlich die Finger von einer ohnehin erst lauwarm gekochten Kooperationsidee.

Also - die erste Überraschung war perfekt, als die Einladung nicht für's Kino International sondern für's Cookies ins Haus flatterte. Leider erhielt ich keine Einladung für den offiziellen Empfang in der mexikanischen Botschaft, die seit den frühen Tagen die Band, die sich nach dem Schöpfungsmythos der Maya benannte, wohlwollend unterstützt und begleitet. Das Coockies, das es heute gibt, liegt an der Ecke Friedrichstr./ Unter den Linden, im Westin Grand Hotel, und hat damit so ziemlich die teuerste  Adresse, die man in Berlin angeben kann. Jaja... das Cookies... das zwischen 1994 und heute sechs (?) Mal die Location wechselte und sich immer komplett wandelte. Wer den Laden von früher - also von ganz früher - kennt,  als er noch den rohen Charme von unsanierten Altbauruinen der Post-Wendezeit versprühte, für den der Laden - und die ganze Clubszene Berlins berühmt geworden sind, der wird keinen Hinweis mehr auf die turbulente Vergangenheit der ersten Techno-Blütezeit finden. Als einzige Konstante mag vielleicht die Beobachtung von Jan Joswig gelten, über die er in seinem Blog schreibt:

Nicht das gleichmacherische Techno-Raven, bei dem der Einzelne in der glücklichen Wolke versinkt, sondern das scharf konturierende Clubben, das jeden Einzelnen im Suchscheinwerfer kollektiver Eitelkeit hervorhebt, wurde im Cookies zelebriert. Raven ist die Absage ans Starsystem, Clubben ist die Überspitzung des Starsystems. Im Cookies versammelten sich nicht die Ohren-, sondern die Augenmenschen und hoben sich gegenseitig aufs Podest (noch vor der Erfindung der Handy-Fotografiererei).
Der überraschend übrschaubar große Club füllt sich an diesem 23. Juni 2011 ab 21 Uhr auch nur langsam, Johannes kam und betonte, wie froh er sei, uns zu sehen, drückte uns Getränkemarken in die Hand und erklärte, dass das heute eher so einen familiären Charakter hätte und er sich wünscht, dass sich Alle untereinander kennen lernen. Ich schätze, sowas ist gute Sitte bei Empfängen, die JF sonst so mitmacht. Mutti kam und einige Zeitgenossen. Und endlich - mit endlos erscheinender Verspätung auch Roland Appel, seines Zeichens ein Teil vom Sonarkollektiv und von dem die de:bug mal schrieb:

Roland Appel ist das Sinnbild des kultivierten, gereiften Bohemiens. Der Familienvater und Vincent-Gallo-Lookalike, der auf Dior-Modenschauen und Lookbook-Shootings von Mario Testino aufgelegt hat, hat seine Musikliebe nie als Ausrede verstanden, keine Krawatte binden können zu müssen. 

Nun gut. Jedenfalls war das Konzept des Abends, dass eben jener RA die ganzen schönen Stücke von der Remix CD mit den ganzen schönen Originalen von Popol Vuh zu einer Zeit- und Soundcollage vermischen sollte. Dabei ging es um zahlreiche Meilensteine, die Florian Fricke zwischen 1970 und 1999 schrieb. Und andererseits um die Remixe von Moritz von Oswald, Mouse on Mars, Stereolab, Peter Kruder, Thomas Fehlmann (The Orb), A Critical Mass, Hasswell & Hecker, Mika Vainio (Pansonic), Alex Barck (Jazzanova) - und besagtem Roland Appel. Hinter dem DJ wurden, ganz in multimedialem Geiste der sich vermischenden visuellen und zeitlichen Ebenen, dann auch Filmsnippets aus dem Privatarchiv der Familie gezeigt.

Soweit das Konzept.

So ein Quatsch. Es begann mit einer Anmoderation, in der sich Johannes bei allen Beteiligten mehrfach bedankte (nicht etwa, um keinen der angereisten Gäste zu vergessen, sondern weil er keine Rede vorbereitet hatte und ihm spontan wohl einfach nichts Gescheites eingefallen ist.) Der Applaus nach seiner Ansprache sollte sicherlich die Erleichterung über das Ende seiner Stammelei - wie auch eine tatsächlich vorhandene Grundzustimmung zu dem hier präsentierten Projekt zum Ausdruck bringen. Leider vergaß er, das Mikrofon auszuschalten, was die nächsten 3(!) Stunden zu einem grauenhaften Hintergrundrauschen führte, dass die ansonsten ordentliche Coockies-Anlage sehr hörbar widergab. Nach 3 Minuten stellte sich überdies heraus, dass das vollkommen langweilige Bildmaterial uns in einer Endlosschleife durch den Abend begleiten würde. Lediglich eine kurze Einstellung zeigte FF mit seiner Moog-Monstermaschine, der Rest waren Bilder etwa von einem VW Bus auf einer Landstraße in Lomo-Ästhetik - oder eine mir unbekannte Frau - vielleicht wars die junge, heute ebenfalls anwesende Renate Knaup (oder doch Conny Veit) ? - vor einem Bauernhaus (vermutlich Frickes Wohnsitz auf dem Bayerischen Land). Wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und... naja, ihr wisst schon... fing dieses Kurzfilmchen von vorne an und unterlegte Appels Bemühungen, sich als DJ seinen Namen zu ruinieren, mit einer passenden visuellen Tristesse. Mein Gott, ich kann mich an keine schlechtere DJ Performance erinnern, als die gehörte. Vollkommen überfordert war er mit der Aufgabe, nahezu keinen Übergang hat er hinbekommen - und zwischenzeitlich hat er mal 15 Minuten eine stumpfen 4/4 aus dem Effektrepertoire des Mixers über seine zerschredderten Beats geknallt um seine Hilflosigkeit zu überspielen- oder war das gar der Sound des Remixes? Ich kann's ja nicht glauben. Nun, Produzenten sind keine DJs, Herr Appel und Herr Fricke!. Gut das wir genügend Getränketickets hatten.

Es war eine grottenschlechte Performance - ein grottenschlechter Sound und grottenschlechte Visuals. Die 64 Gäste hielten sich dann doch an Sekt und Wasser von der Bar, das eingespielte Disko-Licht der automatsichen DMX-Steuerung ignorierend. Es wurde später und länger und nichts veränderte sich. Dann kamen die ersten Anzugträger zum anschließenden regulären Handtaschen-House. Der Nightmanager insistierte, und in die Schlußworte von Johannes, die wieder nur eine Aneinanderreihung von gestammelten Dankesworten war, mischten sich die ersten House Tunes des Cockies-Resident DJs, dessen Name nichts zur Sache tut. Ein Schlussapplaus blieb uns allen erspart. Schnell entfernten wir uns von der Stelle, an der eine großartige Idee öffentlich Schiffbruch erlitt. Schade, schade, denn ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Release mehr als gut ist - und meine Güte: was hätte man mit den beteiligten Musikern für ein Event veranstalten können. Schade, schade, schnief...

Photos: popolvuh.nl oder unbekannt.

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