Donnerstag, 3. Februar 2011

der circus - Eine Ode an den Dub

Na also, nun gibt's ja doch eine Review der Veranstaltung im Netz... und zwar hier! Irgendwie gibt der Blogeintrag genau meine Stimmung wieder, die ich auch als Veranstalter hatte - toll! Dabei ist der Autor weder ein Bekannter noch von mir bestochen...

Zuallererst, BIG UP an alle Sound Systems, Sound Engineers, Produzenten, DJs, MCs und Produzenten des Dub. Euch gebührt große Ehre. Nicht minder würdig auch unsere tanzenden AnbeterInnen des Sounds, die Nacht für Nacht auf’s Neue beweisen, welche Kraft in dieser Musik steckt. Über die Jahrzehnte wurde uns nachfolgenden Generationen ein Klanguniversum geschaffen, welches zu betreten und zu erkunden uns eines der schönsten Gefühle ist. Wir wandern und streifen umher. Immer auf der Suche nach mehr.


Vor zwei Wochen spielten, zufällig entdeckt, ALPHA & OMEGA und trotz schmaler Anlage konnte diese dem Wirken des Dub nicht entgegenstehen. Nachdem SCIENTIST am Mittwoch mit mehreren Stunden Verspätung im Café Zapata an der Musik von I-REVELATION SOUND die Amps zum Glühen bringen konnte: Wie würde sich ein Dubereignis erst einmal wieder im Yaam anfühlen?Zion Train vor einigen Jahren waren gut in Erinnerung geblieben.


___TSUNAMI WAZAHARI___

23:23
Ich komme hinein und es spielen bereits TSUNAMI WAZAHARI. Der Dub erfüllt die Luft. Ein Sprenkeln und Knistern an allen Ecken und Enden. Die Masse beginnt zu wippen und harret dem, was da kommen solle. Einige bekannte Gesichter zeigen sich und entschwinden alsbald. Es ist dabei schön zu wissen in mehr oder weniger bekannten Gewässern zu fahren. Sie spielen in angenehm elektronischer Manier und müssen sich zurückhalten, mehr Druck auszuüben. Als hätten sie gerade erst angefangen; mit jedem Stück. Aber sie müssen sich zügeln, noch ist die Masse nicht warm, noch ist nicht die Zeit.

___AL HACA SOUND___

 

Nach dem ersten Konzert beginnt, am anderen Ende des Saales zwischen zwei leider nicht dazugeschalteten Boxentürmen, AL-HACA SOUND mit einem derben Track, der viel bekannte und typische Samples vereint. Es klingt verdächtig nach On-U Sound. In Gedanken die Frage:
“Wer dreht da so wild an den Knöpfen ‘rum?”
Diese gedankliche Bewegung verspült die Gehirngänge, befreit vom Ballast des Alltags und lässt nicht anderes zu außer sich selbst. “an alle – an alle” fliegt zwischen den Songs durch den Raum und stimmt uns ein auf entgrenzte Klangerfahrungen am Rande des Wahrnehmungsbereiches. Wir betreten eine Arena, in der Klang mehr erspürt als gehört wird. Wenn dein Körper nicht mehr anders kann, als sich zu bewegen, da er schon längst von den Schallwellen in Vibrationen versetzt wird.

In wohlig warme Bässe gehüllt beobachten wir ferner das Treiben auf der Bühne und stellen eine rege Aktivität fest. Und anstatt der zwei Künstler von eben tauchen auffälligerweise T-Shirts und Hoodies mit Aufschriften wie “Jarring Effects” oder “High Tone” auf! Die allmählich in Wallung geratenen Tänzer aber üben sich in vornehmer Zurückhaltung und gestatten den Meistern des Fachs die nötige Ruhe beim doch teilweise etwas hektisch erscheinenden Aufbau. Der dann auch gleich etwa eineinhalb Stunden einnimmt. Konzentrierte Gesichter wissen was sie tun. Alles geschieht in routinemäßiger Schnelligkeit und doch nie übereilt. Die Werkzeuge der Klangbaumeister verteilen sich über Boden und Pulte, ein Kabelkonglomerat ungeahnten Ausmaßes für diesen bescheidenen Rahmen produzierend. Wir dürfen gespannt sein.

___HIGH TONE___

Die Könige des französischen Dub.  


Elektronische Spielereien direkt in deinem Herzen. Du zappelst freudig und bist doch in Ruhe. Die Meute erdrückt dich, doch du stehst aufrecht.

Es kommen mehr Gäste hinzu, es ist bedrückend eng und es wird Zeit Obacht zu geben, wo sich die einem genehmen Mitmenschen aufhalten. Einmal und immer wieder im Kreise der Nächsten angelangt, lebt es sich denn ganz ungeniert: Körper bersten, Glieder fliegen, Hüften schwingen! Der Saal tobt und die da auf der Bühne haben es schwer, gegenzuhalten. Jedes Geräusch ist eine Offenbarung, jeder Hall und jedes Echo lassen deine Nackenhaare tanzen, bis du selbst in dem unglaublichen Kribbeln aufgehst, das jemandem beim Erdenken dieser Komposition vorgeschwebt sein muss.

Und so zieht es sich. Stunden über Stunden vergehen im abgeschlossenen Raum des Schalls. Denn Zeit, die ist relativ. Keine Bewegung die auch nur unbeachtet vorübergehen würde. Deine Sinne sind geschärft und die Musik, massiv über allem stehend, sorgt für die Verschränkung mit denen der andern. Deine Ohren werden an die Hand genommen, Schritt für Schritt einzutauchen in Motive und Strukturen von ungeahnter Form und Harmonie. Die Mächtigkeit des Basses verschmilzt den ganzen Raum zu einem einzigen Klangkörper. Denn jede Zelle resoniert, jedes Atom ist am Tanz der Tänze beteiligt. Das Sound System lädt zum Ball.

Doch auch jeder Kämpfer wird einmal müde und muss sich erholen. Mit letzten verzweifelten Schreiexplosionen kann das Publikum noch das letzte Quentchen aus den Künstlern mobilisieren, es gibt Zugaben, denen nicht einmal die Fusion würdig wäre. Doch dann, es ist vollbracht, genügend Kraft zu Hitze gemacht. Körper & Geist entleert, nach mehr gierend, werden sie ihrem Schicksal überlassen und freundlich empfangen von den Dubs AL HACAs.

___AL HACA PART 2___


Wir, also zurückgelassen in einem sich immer schneller leerenden Raum, füllen unsere Energiereserven wieder auf und kommen allmählich wieder zur Ruhe. AL HACA nehmen uns gefangen in den dunkelsten Ecken unserer bloßgestellten Seelen und verschaffen Ablenkung von der eben erlittenen Tortur. Die Knochen noch zitternd, schallt der “Master of Dub” durch den Raum, statt mit 45 auf 33. Mister Lee Scratch Perry dubbt uns zusätzlich verlangsamt in seine verdrogten Gehirngänge und stellt sie auf ausladenden Leinwänden aus.
“AN ALLE – AN ALLE” zwitschert es bekannterweise wieder ein paar mal über unseren Köpfen. Wir wissen, wir sind im sicheren Hafen angekommen, nurmehr um das nächste Auslaufen vorzubereiten. “AL HACA – AL HACA” wenn man genau hinhört. AL HACA.

Wenn ein Name diesen Abend überraschen konnte, dann der des Soundsystems mit den verspultesten Tracks und den herrlichsten Reminiszenzen. Aber wieder, es regt sich etwas auf der Bühne. Die vielleicht schon aus dem Supermolly oder anderswo her bekannten Gesichter von jazzsteppa bauen sich auf. Die Meute harrt einmal mehr dem, was da kommen solle. Noch schweben eifrigste Klangschnipsel durch die Lüfte. Hab’ ich schon AL HACA gesagt? AL HACA AL HACA!

___jazzsteppa___


Die Technik und die Band haben den Soundcheck hinter sich gebracht und bringen gemeinsam die ersten Töne des Konzertes auf die Bühne. Nicht jedem schmeckt ihr Sound, nicht jeder hat noch Energie übrig und so erhalte ich am Rande des Konzerts auch kurz die Möglichkeit, mit AL-HACA zu sprechen und man bestätigte mir mein Gefühl:

Der Mixmaster Adrian Sherwood himself zeichnete für die einleitende goldene Scheibe im ersten Set verantwortlich. DUB SYNDICATE, AFRICAN HEAD CHARGE, AUDIO ACTIVE, NEW AGE STEPPERS, REVOLUTIONARY DUB WARRIORS und weitere betreten die Bühne der Gefühle. Leipzig, Wien, Greifswald, Berlin, paar Mal auf dem Sziget usw. – die Jungs haben schon ein bischen von der Welt gesehen und das kann man hören.

Die gerade spielende Band dann doch wieder nicht. Als schließlich doch mal ein paar Titel aus den Boxen tröpfeln, scheint wieder etwas an der Monitorkonfiguration nicht zu stimmen: Die Musik ist aus. Und dann mal wieder an. Und wieder aus. Der Reaktionsgabe der Backing-DJs gedankt bedeutet dies für uns aber kein Ende der Musik, sondern lediglich den Abgang Jazzsteppas von der Bühne. Kein Verlust. Während JAZZSTEPPA die Bühne leer räumen und kaum verrichteter Dinge das Yaam verlassen, ereignet sich vor der soeben erst entdeckten, gerade geschlossenen Lounge DER Moment: Ein Techniker trifft #2 und nochwen, wir vom weggehenden Lounge-DJ verdattert zurückgelassen blöd rumstehend, werden Zeuge folgender vernichtenden Kritik an JAZZSTEPPA:
“Sowas unprofessionelles habe ich noch nie erlebt! Wenn DER mich noch einmal anquatscht, schlag ich ihm in die Fresse, echt! Das kann doch nicht sein! Was soll das?”
Der Name dieser Band sollte in Zukunft nur noch klein, am besten jedoch gar nicht mehr geschrieben werden.

___FADE AWAY___

 

DJ SAIMAN ergreift die Plattenspieler und geleitet uns akustisch zur Tür. Was folgt, ist nur noch Schadensbegrenzung. Viele Gäste verlassen empört das Gelände und die Kasse am Einlass wird schnell weggeräumt, bevor noch mehr ihr Geld zurückverlangen. Aber was bleibt ist ein wunderschöner Abend, mit ausgezeichneten Musikern und immernoch diesem Gefühl, an etwas ganz Besonderem teil gehabt zu haben. Schnell verteilen sich noch ein Paar Sticker, um vielleicht das ein oder andere Gesicht im circus einmal ähnlich bespaßen zu dürfen. To Be Announced.

HIGH TONE, AL-HACA, TSUNAMI WAZAHARI
Wiedersehen ist ein Muss!

Wer es ohne tiefbassiges Nackenkribbeln nicht aushalten kann, sei also zum circus feature zu Beginn des neuen Jahres eingeladen. Dank spezieller Leichenkellerakustik ist es uns ein Leichtes, mit vergleichsweise geringen Mühen über viele Stunden eine vielleicht nicht ganz unbekannte Athmosphäre aufrecht zu erhalten.
Komm.

  1. AL HACA soundsystem wrote: und weil es so schön war hier ein mitschnitt des 2.parts unseres auftritts :)



1 Kommentar:

  1. ja verrückt, entweder eure oder meine seite geht nicht richtig mit trackbacks um...
    ...habe deinen artikel grad nur zufällig über die official fm seite gefunden - und das auch nur, weil du den kommentar mit geguttenberg hast, sodass blogspot automatisch ein flashdingda einblendet, welches auf der official seite eben extra gefeatured wird.

    huh, ein backling wär' trotzdem nett gewesen.
    aber hast ja recht CC3.0-AttributionShareAlike, wenn auch nicht angegeben, heißt ja dass du nur referenzieren musst - nicht unbedingt mir bescheid geben...

    ...wie dem auch sei...wunderbare digitale welt...

    danke

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