Pünktlich zum Festival gibt's diese Diskussion um den Suicide Circus, gefüttert von einem Plakataushang im Kiez und flankiert von Demowagen vor dem Club. Alle Aktivitäten ziehlen darauf ab bekannt zu machen, dass Thilo Tragsdorf, seines Zeichens Enfent Terrible für die Verlierer und Bedrohten der Gentrifizierungs-Aktivitäten im Kiez, Finanzier des Clubs — und auch sein finanzieller Nutznießer ist. Der auch gleichzeitig diese Prozesse massiv und in höchstmöglichem Tempo auf dem RAW-Gelände vorantreibt. Ich persönlich habe entschieden, dass ich hier konsequent sein will und auf den Gaststatus im SC verzichte. Ich finde es indes trotzdem schwierig, alles in ein schwarz-weiß-Schema zu pressen. Ralf, der Booker vom Suicide Circus, ist sicher kein Feindbild und viele Veranstalter am Ort sind es auch nicht. Die Gäste tun wahrscheinlich auch niemandem etwas zu leide — aber darum geht's ja auch, ein Bewusstsein bei spaßorientierten Clubgängern für die Zusammenhänge der Entwicklung im Unterhaltungsangebot auf dem Platz zu fördern. Flankiert wird das Thema an einem Nebenschauplatz, dem ehemaligen "Rokoko-Garten" und jetzigem "Geheimen Garten". Hier stellt sich die Frage, wer ein rechtmäßiger Nutzer ist - und somit werden die seit Jahren tobenden Platzkonflikte weiter befeuert.


Im Garten des Kraken sitzend, denke ich ein wenig über die Dienstagswelt, das neue Büro in der Wühlischstr. und andere Prozesse nach, die mich derzeit ausfüllen. Wie sanfte Wellen wogen die Gespräche von den Nachbartischen und Grüppchen umstehender Leute in zahlreichen Sprachen durch mein Bewusstsein, schwerelose, bunte Wellen aus Schall und Klang. Ich muss in dem Moment an die Beatles und ihr Octopussy's Garden denken, und finde es als ein musikalisches Pendent zu "People Are Strange" von den Doors. Es ist eine liebenswerte Verrücktheit hinter einer Fassade von Konventionen, der hervorgekehrt werden will. Das schafft das Krake Festival. Scotch Egg indes ist meines Erachtens mehr wahnsinnig als nur verrückt. Seine Show ist eine Persiflage an Urbnes Jackass-Posertum, mit kleinen, feinen handwerklichen Tricks und Techniken, unerwarteten Sounds, Brüchen und atmosphärischen Wendungen sowie brachialer Konfrontation mit den Frequenzen aus reinem Geräusch. Sinnbild dafür ist eine leicht skurrile Wollmütze — vielleicht eine Art Bildersturm auf dieJungs aus der japanischen Hood? In jedem Falle aber eine Art Magic Hat für den japanischen Vulkan, für den die Musikperformance eine zivilisierte Form des Kampfsports darstellt. Auch Three Trapped Tigers und Emika können beeindrucken. Allerdings stört mich irgendwann bei Emika die etwas langatmige Endlosvariation eines elektronischen 90er Jahre Trance-Beats, zu dem mäandernd durch live gespielte außergewöhnliche Perkussion- und teilweise psychedelische Bassläufe sehr viele großartige Akzente gesetzt werden — inkl. plötzlicher Tempiwechsel, Offbeats und seltsamer elektronischer Geräusche.
Am Ende schaffe ich es noch vor dem sich massiv ankündigenden Gewitters nach Hause zu kommen. Octopussy's Garden ohne Wasser wäre ja auch kaum denkbar...


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