Sonntag, 2. Oktober 2011

Klangwirkstoff :: Von Schamanen, Quantenphysik und der kosmischen Oktave

Auf so ein Event hätte ich schon vor zehn Jahren gehen wollen... Jetzt habe ich das mal nachgeholt! Das Berliner Ambientlabel Klangwirkstoff feiert nach langer Zeit mal wieder eine Record Release Party - und das in gewohnt ungewöhnlicher Form. Drei Vorträge stehen auf dem Programm: Zunächst hielt Hans Cousto eine Vortrag über seine "Kosmische Oktave", ein von ihm entwickeltes mathematisches Universum der Klänge, basierend auf der Idee, das harmonikale Gesetz von Frequenzverdoppelung bzw. Frequenzhalbierung (Oktavierung) auch über den Hörbereich hinaus anzuwenden. So entstand die Möglichkeit, Planetenrotationen und Molekülschwingungen oktavanaloge Töne und Rhythmen zuzuordnen. Die dabei gefundenen Zusammenhänge bspw. zum "Jahreston" der Erde (also die oktavierte Rotation der Erde um die Sonne) entspricht dem tibetischen "Om"-Ton, der weltweit als Herzton für Meditationen angewandt wird. Damit schafft Cousto für mich einen spannenden Zusammenhang zwischen Musik, Quantenphysik und Spiritualität, dessen ich mich hier und da wirklich gern hingebe.

Nicht zuletzt kann mit Hilfe von Coustos musikalischen Prinzipien auch Frequenzen und Töne für Moleküle bestimmt werden, was den zweiten Vortragenden des Abends, Barnim Schultze, seit mehr als zehn Jahren zur Vertonung allerhand psychoaktiver Moleküle wie z.B. LSD, THC, MDMA usw. angeregt hat. Sein Interesse galt der Frage, ob man durch die Hörbarmachung der tonalen Schwingungen dieser Moleküle ähnliche psychoaktive Effekte erzielen kann, wie durch die Einnahme dieser Substanzen. Denn relativ viele Ex-Hippies, die vom exzessiven Drogenkonsum zur intensiven Meditation gelangt sind, behaupten ja gerne, dass der drogen-induzierte Zustand des veränderten Bewusstseins auch durch allerhand andere Techniken, bspw. Meditation, Trance ua.a. herbeigeführt werden kann. Da liegt es nahe, einen Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen verändertem Bewusstsein und bestimmten Schwingungen zu suchen.


Leider entglitt dem Redner zwischenzeitlich sein ansonsten spannender Vortrag, als er über die Krisen der Welt, Schläfer und REM-Phasen sowie Astrologie ein paar allzu esoterische Plattitüden los ließ, dennoch bekam er am Ende nochmals die Kurve, als er von seinem aktuellen Projekt, der Wasserstoffvertonung (H2 The Quantum Music of Hydrogen) sprach. Unter dem Namen Akasha Projekt kann Schultze bereits auf zahlreiche Veröffentlichungen seiner Experimente verweisen. Neben Cousto sowie den Musikern B. Ashra, Tommelon und Ricky Deadking (Eru) ist er Mitbegründer des Brain Entertainment Laboratory, dass die Frequenzen und Rhythmen natürlicher Schwingungsphänomene auf ihre psychische und physische Wirksamkeit erforscht. Die langsam veraltende Website Medienschamanismus gibt weitergehende Hinweise.

Der Dritte Vortragende im Bunde war Christian Rätsch, Doktor der Philosophie und Autor zahlreicher Bücher über psychoaktive Pflanzen, Schamanismus und das erweiterete Bewusstsein. Ein Hippie und Drogen-Guru wie er in (seinem) Buche steht! Sitzt da wie auf einem Divan, beschreibt schamanische Reisen mit indianischen Mystikern mittels Ayahuasca und gibt Reisetipps für Peru. In seinem Vortrag nimmt er immer wieder Bezug auf die monotonen Gesänge der Schamanen - und hat auch ein paar Klangbeispiele dabei, die er den zahlreichen Zuhörern nur allzugern darreicht. Sie sind vielleicht ein Vorgeschmack auf die noch viel seltsameren Tripps, auf die er selbst oft genung gegangen ist, für die es aber laut seinen Erklärungen keine Worte gibt, die ausdrücken könnten, was auf solchen schamanischen Reisen geschieht. In jedem Falle ist es lebensverändernd und von fundamentaler Bedeutung. Ok soweit. Ein bisschen eigene Mythospflege gehört natürlich auch dazu. Man will sich später auch nicht vorwerfen lassen, man habe falsche Erwartungen geweckt... Aber grundsätzlich bin ich schon geneigt, darin einiges an Wahrheit zu sehen. Schließlich würde ich den Schritt, generell bewusstseinserweiternde Erfahrungen zu machen, schon als lebensverändernd einstufen - geschweige denn, psychoaktive Substanzen wie LSD, Peyote oder eben Ayahuasca einzunehmen. Insofern redet der Mann hier sicher keinen Blödsinn.

Es geht ja auch nicht so sehr darum, ob ich das glaube oder nicht: mich fasziniert die Konsequenz, mit der dieser Mensch in einer sehr bunten, spirituellen, philosophischen, wissenschaftlichen, reiselustigen und mit sichtbarer innerer Harmonie ausgestalteten Welt lebt. Wahnsinn! Er hält auf ethno-botanischen Kongressen Vorträge über Wirungsweisen diverser Dschungel- und Hochlandpflanzen in Südamerika, schreibt Bücher über Cyberschamanismus und Technokultur, gibt Wochen-Seminare in Nepal, spricht in einem Vortrag über germanische Räucherrituale zur Wintersonnenwende und schneit auch mal - wie heute - ins Ritter Butzke hinein, um den Leuten was über Ayahuasca zu erzählen. Und noch 1000 Sachen mehr! Einige seiner Bücher habe ich 1997 während meines Aufenthalts in Nicaragua gelesen - und mir immer gewünscht, diesem Menschen mal persönlich zu begegnen. Nun, allzu persönlich ist es dann nicht geworden - aber ich bin heute zufrieden, ihn mal live erlebt zu haben.

Nach den Vorträgen gab's dann Livemusik - natürlich von Akasha Projekt, aber auch bspw. vom Kraftfuttermischwerk - während in den anderen Floors (neben weiteren Djs) auch Sven Dohse, Mary Jane, Tanith und Hypnorex ihre musikalische Jetztzeit intonierten. Im Hinterzimmer war zudem sogar eine richtige Bibliothek aufgebaut, hauptsächlich bestückt vom Nachtschatten Verlag, dem Fachverlag für intellektuelle Drogenanwender und ambitionierte Hobbygärtner. Dort konnte man auch Dr. Motte und andere Szenegrößen aus den grauen Vortagen beim Blättern und Netzwerkeln beobachten. Alles in Allem ein sehr, sehr gelungener Abend - nicht zuletzt natürlich auch aufgrund der zahlreichen Bekannten und bekannten Gesichter, die ich dort (wieder) traf. Wirklich allerbeste Abendunterhaltung!

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